Verlegen

Aus Spielmaterial
Version vom 9. September 2020, 20:06 Uhr von Harald Mücke (Diskussion | Beiträge)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Spätestens wenn sich die Absagen der Spieleverlage zu den eingesandten Spielvorschlägen häufen, beginnt der Spieleautor von der Veröffentlichung im eigenen Verlag zu träumen. Machbar ist das natürlich auch, aber es gibt einiges zu bedenken, was man vielleicht vorher so gar nicht auf dem Plan hat, u.a.:

  • die Kosten eines Graphikers
  • die rechtlichen Grundlagen (CE Zeichen, Spielzeugverordnung, Grüner Punkt)
  • die organisatorischen Veraussetzung (Gewerbe, Steuerfragen, EAN-Codes)
  • die Finanzierung (erst zahlen, dann verkaufen)
  • den Vertrieb (Händlerkonditionen, Messepreise, Marketingaufwand)
47 comic2 - offen.jpg

Möge Ihnen das erspart bleiben... Im folgenden ein paar interessante Hintergründe und Grundüberlegungen, die Ihnen helfen sollen, Pauls Alptraum für Sie zu verhindern.


Wie ensteht ein Spiel

Hier finden Sie eine kurze Erläuterung der Agentur Projekt Spiel, wie es überhaupt zu einem Spiel kommt: Wie entsteht ein Spiel?

Weiteres auch im Leitfaden für Spieleerfinder.

Finanzen

Spiele werden von den Endkunden meist als teuer eingestuft. Im Vergleich mit einmaligen Veranstaltungen wie z.B. einem Kinobesuch ist ein Spiel jedoch sehr günstig, weil wiederholt nutzbar. Ein Problem mag sein, dass nicht jeder Teilnehmer an einem Spiel für sich bezahlt, sondern in der Regel eine Person ein Spiel alleine kauft und die Mitspieler das Spiel kostenlos nutzen.

Jedoch viel interessanter ist, dass der Wert eines Spieles oft am Material festgemacht wird. Oft ist die Verwendung von vielen Holzmaterial eine Begründung für einen hohen Preis. Die Qualität des Spielspaßes fließt in diese Beurteilung kaum ein. In gleichem Maße wird die Größe der Spielschachtel mit dem Wert in Verbindung gebracht.

Der Endverkaufspreis ergibt sich vorwiegend aus den Produktionskosten. Die materielle Ausstattung wirkt sich also direkt aus, über die Wahl der Schachtelgröße lässt sich die Gewinnspanne variieren. Besondere Marketingmaßnahmen sind zu berücksichtigen. Folgend eine grobe Modellrechnung zu einem fiktiven Spiel, welches im Laden für 19,99 € verkauft wird:


Es erhalten von 19,99 EUR, die der Kunde bezahlt:
Wer Wieviel verbleibt
19,99 EUR
Der Staat (19% Mehrwertsteuer) 3,19 EUR 16,80 EUR
Der Händler (bei einem Handelsnettopreis von 8 €) 8,80 EUR 8,00 EUR
Der Autor (bei einem Lizenzsatz von 6% vom Handelsnettopreis) 0,48 EUR 7,52 EUR
Der Produzent 3,76 EUR 3,76 EUR
Der Verlag 3,76 EUR 0,00 EUR

Hier wird offensichtlich, warum schon kleine Ausstattungsverbesserung sofort Einfluss auf den Endverkaufspreis haben (als Faustregel wird der Faktor 7 genannt).

Die auf den ersten Blick hohe Handelsspanne findet ihre Rechtfertigung in der vergleichsweise niedrigen Umschlagshäufigkeit. Hinzu kommt, dass man Spiele nicht unbedingt braucht und in knappen Zeiten gerne an einem solchen Konsumgut gespart wird. Außerdem setzen sich die meisten Spiele NICHT durch. Der Händler kriegt solche schlecht laufenden Spiele dann nur mit hohen Abschlägen, oft unter Einkaufspreisen, los.

Im folgenden noch eine Aufstellung der zu berücksichtigenden Kosten:

* Autor Autoren werden üblicherweise mit einem Prozentsatz am Verkauf des Spiels beteiligt. Dieser liegt meist bei 4-7% des Netto-Handelspreises. Bei einem Spiel, das im Handel etwa 40 EUR kostet, erhält der Autor somit etwa 40-70 cent.

* Grafiker Die notwenigen Illustrationen für ein Spiel machen oft einen Großteil der Gesamtkosten aus. So kostet ein durchschnittliches Brettspiel je nach Aufwand etwa 2000-6000 EUR. Bekannte Grafiker, wie Franz Vohwinkel sind dabei deutlich teurer als weniger berühmte. Der Aufwand ergibt sich logischerweise durch die Anzahl der erstellten Graphiken. Üblicherweise werden die einzelnen Komponenten aber nicht einzeln abgerechnet, sondern es werden Pauschalpreise vereinbart. Auch üblich sind Lizenzgebühren für die Verwendung der Bilder bei nachfolgenden Auflagen.

* Holzkomponenten Holzkomponenten sind relativ einfach zu kalkulieren. Meist bewegt sich der Preis pro Stück bei etwa 3-6 Cent. Hinzu kommen evtl. Werkzeugkosten für neue Formen (ca. 100-250 EUR je Typ).

* Kunststofffiguren Der Herstellungsprozess von Miniaturen ist dagegen sehr aufwendig und auch teuer. Ein Werkzeug kostet hier schon schnell mehrere Tausend Euro. Die eigentlichen Materialkosten für die Kunststofffigur sind geringer als die für Holzteile. Aufgrund der hohen Fixkosten sind Kunststofffiguren für kleine Auflagen kaum zu finanzieren. Je höher die Stückzahlen sind, desto geringer wirkt sich dieser Faktor je einzelnem Spiel aber aus. Deswegen greifen Hersteller mit großen Auflagen gern auf Plastikmaterialien zurück.

* Würfel Auch bei Würfeln gilt, dass Kunststoffwürfel bei hohen Auflagen günstiger als Holzwürfel sind. Bei sechsseitigen Würfeln empfiehlt es sich bei kleinen Auflagen auf Holzwürfel auszuweichen, um den hohen Grundkosten zu entgehen.

* Papier und Pappe Kostentreiber sind nicht die eigentlichen Druckkosten, sondern die Kosten, um die Drucke auf Pappe zu kaschieren, Stanzwerkzeuge zu bauen, Karten zu sortieren und insbesondere die Rüstkosten von Druckerei-, Stanz- und Sortiermaschinen).

* Logistik Dieser Anteil wird oft vergessen. Denn die Materialien werden nicht in einer einzigen Fabrik hergestellt, stammen von vielen Lieferanten und müssen kommissioniert werden. Jeder Handgriff am Kommissionierband kostet ein paar Cent, egal ob Spielplan oder einzelner Würfel. Auch Lager- und Lieferkosten sind zu bedenken.

* Verlagskosten In einem kleinen Spielverlag arbeitet man durchschnittlich ein viertel bis ein Jahr an einem Spiel bis es letztlich veröffentlicht wird. Viel Arbeitszeit wird für Tests und Optimierungen gebraucht sowie für die Organisation der einzelnen Produktions- und Vertriebsschritte. Kleine Verlage machen das mit ein oder zwei Mitarbeitern. Das geht nur mit viel Enthusiasmus oder mit großen Verkaufsauflagen hauptberuflich.

* Marketing Ein Spiel kann noch so gut sein, es verkauft sich nicht ohne Marketing. Und auch wenn es einem manchmal so vorkommt, dass Spiele aus dem Nichts erfolgreich werden - das ist aufwenige Arbeit und teuer noch dazu. Man sollte mit 3-10% des kalkulierten Umsatzes rechnen.

Rechtliches

  • CE-Zeichen: Das MUSS auf allen in Europa in Umlauf gebrachten Spielen vorhanden sein (verkaufen oder auch verschenken). Mit Anbringen des Zeichens bestätigt man, dass das Produkt der Sicherheitsnorm entspricht, in diesen Fall DIN EN 71 (Spielzeugsicherheit). Die besagt für Brettspiele, dass:
    • das "nicht unter 3 Jahren" Zeichen drauf sein muss (Kinder verschlucken kleinere Teile)
    • dass verwendete Farben und Lacke ungiftig und frei von Schwermetallen sind, sich niemand verletzen kann (keine scharfen Kanten oder Spitzen, keine Säure) und so weiter. Im Prinzip ist das alles erfüllt, wenn Plastik- oder Holzteile integriert werden, die für Spiele gedacht sind. Eine entsprechende Bestätigung kann man bei den Produzenten erhalten. Das CE-Zeichen selbst, sowie das "nicht unter drei Jahren" Zeichen kann man im Internet runterladen.
  • Einschweissen: Dazu gibt es zwei Arten von Geräten. Einerseits die "professionellen", die aus einem Arbeitstisch mit einer Rollenhalterung und einem Plastikdeckel über einem Gitter bestehen. Man legt das Produkt den vorne offenen Folienschlauch ein, zieht das ganze über das Gitter und schließt den Deckel. An der Deckelkante befinden sich Schweissdrähte, die das ganze von der Rolle trennen und vorne verschließen. Gleichzeitig bläst heisse Luft ein, die die Folie zum Schrumpfen bringt. Nach ein paar Sekunden geht der Deckel wieder auf und das Ding liegt verschweisst da. Kosten für so ein Gerät ab ca. 2500,- Euro aufwärts. Die zweite Variante ist ein manuelles Gerät, dass nur aus einem Schweissarm und der Rollenhalterung besteht. Hier muss man also einmal schweissen um das Produkt von der Rolle zu trennen, d.h. quasi in eine Tüte zu packen. Dann dreht man das Produkt um 90 Grad und schweisst vorne die offene Stelle zu. Dann nimmt man den mitgelieferten Heissluftfön und bläst das Ding ein paar Sekunden von allen Seiten an und das Ergebnis ist das gleiche. Kosten für so ein Ding: Ein paar Hundert Euro (!). Sofern Du an einem Stück nicht mehr als 200 Spiele verpackst, ist das die sinnvollere Alternative.
  • Der grüne Punkt: Wenn Sie Spiele in Umlauf bringen, die eine Folienverpackung haben, müssen Sie entweder den Kunden und Händlern ein Rücknahmesystem anbieten (d.h. das Porto für die Rücksendung der Folie tragen) oder den Grünen Punkt anbringen. Dazu unterschreiben Sie beim Dualen System einen Vertrag und drucken dann die Punkte selbst auf Aufkleber, die auf die fertig verschweissten Packungen geklebt werden. Kosten Produkt: ca. 1 Cent, je nach Größe. Einmal jährlich wird eine Abrechnung erstellt, in der sie angeben, wieviele Verpackungen und wieviel Gewicht an Folie in Umlauf gebracht wurden.
  • EAN-Code: Nicht unbedingt notwendig, wird aber von vielen Händler vorausgesetzt. Kann man im Notfall auch nachträglich mit Aufklebern anbringen.


Eigenverlag - ein Beispiel

Ein interessanter Artikel zum Thema Eigenverlag findet sich bei Bewitched Spiele:

BeWitched-Spiele ist 1998 als Eigenverlag mit dem Spiel "Stimmvieh" gestartet und hat inzwischen zwölf Spiele veröffentlicht. Bewitched Spiele ist ein Partner unserer Grosshandelsgenossenschaft Spiel direkt. Ein früher Erfolg war "Hossa!", dessen dritte Auflage inzwischen fast ausverkauft ist. Nachfolgend schildert die Autorin und Verlegerin Andrea Meyer anhand des Spieles Hossa! das Wagnis - und die Chance! - einen Eigenverlag anzugehen.

Bewitched.jpg

Der Eigenverlag - ein Erfahrungsbericht von Andrea Meyer